Till Brönner im Interview „The Good Life“ und die Jazz-Love mit dem Star-Trompeter

Till Brönner im Interview:
© Andreas H. Bitesnich

„Ein Künstler muss ein Mysterium bleiben“

Über Till Brönner, den wohl berühmtesten deutschen Jazz-Trompeter, hat man eigentlich bereits viel geschrieben: über seine musikalischen Visionen, Missionen, Ansichten. Aber nichts Privates, keine Details aus seinem Leben …

Das neue Album The Good Life, das, wie eine einzige Love-Story, lyrisch, romantisch und melancholisch zugleich ist, gibt Hoffnung – Hoffnung auf „etwas mehr“ von ihm. Letztendlich soll damit im September 2016 das „wahrscheinlich persönlichste Album seit Jahren“ erscheinen. Dieses beschäftigt sich – und das im zarten, emotional-entspannten Brönner‘s Stil – mit dem schönsten Gefühl, das ein Mensch empfinden kann: mit Liebe. Aber auch mit ihren „Begleiterscheinungen“: der Eifersucht, dem Schmerz und der Melancholie – das auf 13 Klassiker-Songs, die so viel über den Trompeter erzählen und gleichzeitig nicht viel über ihn verraten … So bleibt es mir nichts Anderes übrig, als in diesem „Liebesroman“ namens The Good Life zwischen den Zeilen zu lesen: Jeder Titelsong – ein Lebenskapitel? Jede Tonalität – eine Laune, eine unsichtbare Emotion? Jeder Text – ein Hinweis auf ein persönliches Erlebnis?

Im Interview mit Till Brönner, das an einem verhangenen Sommer-Mittwoch in München stattfindet, lasse ich mich ebenso „gewollt-ungewollt“ auf diese Themen ein, „analysiere“ die Platte Song für Song und lasse Herrn Brönner jedes Lied „anprobieren“. Dabei will ich den sympathischen Jazz-Trompeter seines Mysteriums gar nicht berauben, sondern versuche nur einen kurzen Blick in seine Gefühlswelt zu werfen …

Ein Künstler soll schon etwas ein Mysterium bleiben“, verkündet der herausragende Jazzer gleich zu Anfang des Interviews. „Das Gefühl, über mein Privatleben reden zu sollen, wenn das möglicherweise gar nicht so spektakulär ist oder sich morgen wieder ändert – da kriege ich Schüttelfrost bei.“ Das wollen wir natürlich nicht, Herr Brönner – dieser Sommer ist ohnehin nicht mit viel zuverlässiger Wärme gesegnet!

„Jeder Song auf dem Album hat was mit mir persönlich zu tun“

Till Brönner im Interview:
© Sony Masterworks


Dass ich so hartnäckig – und elegant in die Interpretation der Melodien „verpackt“ – meine Fragen auf sein Gefühlsleben abziele, hat Stil, wie er findet. ‘Er könnte ruhig etwas mehr aus seinem „stilvollen Versteck“ herausgehen‘, finde ich. Denn bei den meisten Antworten muss ich ebenso zwischen den Zeilen lesen – darin bin ich mittlerweile fix, Till Brönner sei Dank. Hartnäckig formuliert er diese allgemein und bleibt standhaft ein Mysterium – darin ist ER wohl ein Profi!

Unser Gespräch ist eine Art „Katz-und-Maus“-Spiel, aber sehr leicht, wortreich und auf keinen Fall „gespielt“. Er redet viel und gerne und hat auch wahnsinnig viel zu sagen. Ich mag es, ihm zuzuhören und zu beobachten, dass auch ihn unsere Unterhaltung mitreißt. Zwischendurch wünsche mir, anstelle des offiziellen Interviews einen ungezwungenen Plausch über Gott und die Welt mit ihm zu haben … Dann vibriert es plötzlich auf dem Tisch: „Mein Sohn ist dran, es ist wichtig!“ Die kurze Unterbrechung nutze ich, um meine ersten Eindrücke zu sortieren.

„Es steckt eine ganze Menge Frank Sinatra in mir!“

Till Brönner im Interview:
Frank Sintara (1968) © Getty Images


Jetzt bin ich erst recht neugierig auf Till Brönner. Im weiteren Gespräch behauptet er, derjenige zu sein, „der halbwegs auf dem Boden geblieben ist und sich im Gespräch nicht anders gibt, als jemand anderes.“ Und doch erinnert er mich ganz leicht an jemand anderen … Frank Sinatra?! Dieser melancholisch-charismatische Frauenschwarm hat letztendlich das eine oder andere Song dem Jazz-Trompeter für seine neue Platte „geliehen“.

Mit diesem Gedanken lege ich ihm erwartungsvoll die vorab im Handumdrehen „ergoogelte“ Sinatra-Brönner-Fotomontage mit meiner Gegenüberstellung der beiden Musiker vor. Er platzt überrascht, amüsiert und geschmeichelt zugleich heraus: „So habe ich das noch nie gesehen, in der Form …“ Da haben wir ihn ja schon, den ersten Blick hinter die „Kulisse von Till Brönner“. Sinn für Humor hat er auf jeden Fall. Er lacht natürlich-herzlich. Und er ist auf das Thema „Frank Sinatra“ sehr gut zu sprechen! Im nächsten Augenblick versichert er mir, auf meine Nachfrage hin: „Es steckt eine ganze Menge Frank Sinatra in mir!“ Ich warte gespannt die Aufklärung ab: Er habe eine Radiosendung, die zwar nicht Frank Sinatra Show heiße, aber sie hätte den Titel verdient. Denn alle 3-4 Stücke spiele er darin etwas vom Frank Sinatra!

Über Sinatra redet er fast schon lieber, als über sich selbst: „Ich glaube, er ist für die meisten Männer, die sich mit Gefühlen entweder freiwillig oder unfreiwillig auseinandersetzen, ein guter Pate. Sinatra war deswegen authentisch, weil er eben sein Leiden thematisiert hat. Und für Frauen war er ein Mann, der Schwäche zeigt und trotzdem nachweisliche Stärke mitbringt – es war immer attraktiv. Deshalb wollten sehr viele Männer in der Zeit so sein wie Frank Sinatra.

Till Brönner im Interview:
© Till Brönner (2016) © Getty Images


‚Trifft es auch auf Sie zu?‘, reift in meinem Kopf die nächste Frage an … Doch bevor sie ihren Ausgang findet, kommt die eilige „Entschärfung“ der Situation: Das treffe nicht auf ihn zu. „Ich mag diese Stimme und diese Zeit wahnsinnig gern. Er ist einfach das Symbol seiner Zeit. Allein die Art sich zu kleiden … Wann werden endlich solche Hüte oder Halstücher getragen?“, schwärmt der elegant und modern-dunkel angezogene Musiker den guten alten Zeiten nach: „… Als die Tanzlokale noch zum Tanzen da waren. Früher war Tanzen ein Weg sich anzunähern und sich kennenzulernen. Man ging tanzen – und zwar im klassischen Sinne. Da war die Bar, da war die Klamotte … Da durfte man sich noch ablösen …

„Letztlich ist es für mich ein Tanzen im Kopf“

Apropos „sich ablösen“: Wie hätten Sie es denn damals angestellt, Herr Brönner, als ein klasse Musiker, der nicht im klassischen Sinne tanzen kann (oder will)? Wegen seines „Nicht-Tanzens“ habe er sich am Anfang auch etwas gegen den Song Come Dance With Me ein wenig gesträubt. Warum er denn nicht tanze? „Weil ich zu oft Musik machen musste, zu der andere Menschen tanzten, und das war für mich eine reine Dienstleitung. Das war ein Gefühl, an das ich mich nicht so gerne erinnere.“ Aber man könne doch immer mal wieder „ein Tänzchen im Kopf wagen, mit jemandem …“, schmunzelt er mich keck an.

„Eifersucht ist ein Gift“

Till Brönner im Interview:
© Andreas H. Bitesnich


Diesen „Tanz im Kopf“ setzen wir im weiteren Tanzsong Change Partners fort. Welches Bild sich der nicht-tanzende Till Brönner wohl dazu ausmale? Er geht in sich … Er kenne den Text sehr gut: Es gehe hier um die Eifersucht! „Ein Typ singt darüber, dass er wirklich ein Problem damit hat, dass sie die ganze Zeit mit dem anderen Typen tanzt. Und er ist total eifersüchtig, weil er sie selber gerne auffordern würde.

In meinen Gedanken findet bei dieser Melodie dennoch ein anderer „Kopftanz“ statt: Für mich klingt das Lied, leicht verträumt und etwas melancholisch, nach der unerfüllten Liebe. ‚Vielleicht kann der Typ einfach nicht tanzen? So bleibt ihm nichts Anderes übrig, als nur mit dem verliebten Blick seiner Herzensdame durch den Tanzsaal zu folgen…?‘, schmunzle ich in Gedanken zurück und widerlege die geäußerte Version über Eifersucht mit meiner über die „geheime Verliebtheit“.

Professor Brönner geht wieder in sich, flüstert leise und nachdenklich den Songtext vor sich hin:


„Must you dance every dance with the same fortunate man?
You have danced with him since the music began.
Won’t you change partners and dance with me?”

… und bleibt bei seiner Sicht der Dinge. Klar, es ist eine reine Interpretationssache, Herr Brönner, da haben Sie natürlich recht! „Und das ist schon auch gut. Der eine sieht es so, der andere so. Perfekt, Hacken dran!“, setzt er leicht bestimmend das Ende der Diskussion an, lacht dabei sichtbar erleichtert, denn ich gebe nach …

Doch das Thema Eifersucht schein den Trompeter noch zu beschäftigen: „Eifersucht soll ein Kompliment sein, ist aber leider eine zwar verbreitete, aber sehr unzuträgliche Eigenschaft. Sie ist ein Zustand, der nicht planbar ist, wobei sie oft genug besungen wurde… Also, sie gibt viel Stoff.

Bingo! Sie gibt auch viel Stoff für unser Gespräch. In einem der weiteren Albumtitel I’m Confessin‘ That I Love You geht es zwar in erster Linie um ein Liebesgeständnis, doch mit Liebe wollen wir noch abwarten … Vorerst klären wir doch bitte das mit der Eifersucht zu Ende! Was würden Sie eigentlich nie gestehen, Herr Brönner? „Oh …“, nimmt er wieder eine kurze Denkpause in Anspruch. „OK. Es gibt Schwächen, die nicht so schicklich und trotzdem menschlich sind. Eifersucht ist zum Beispiel so ein Thema. Eifersucht ist nahe an der Ohnmacht, glaube ich. Und nichts würde man lieber tun, als sie nicht zu empfinden. Und nichts würde man lieber tun, als zu schweigen.

‚Soll ich das Pronomen „man“ durch „ich“ ersetzen?‘, streift die Frage meine ohnehin von der gedankentiefen Unterhaltung in Anspruch genommenen Gefühlsnerven. „Eifersucht ist ein Gift. Es ergreift Besitz von einem, wenn es da ist. Es gibt Menschen, die behaupten von sich, nicht eifersüchtig zu sein. Und plötzlich kommt der Moment und sie wissen nicht, warum. Es ist also eine Konstellationsfrage. Aber selbst das muss man irgendwann mal verbalisieren. Ich denke, es gibt für alles den Moment zu gestehen. Und sei es vor Gericht“, schließt Till Brönner das Kapitel „Eifersucht“ behaglich ab.

„Liebe zeigt sich am Ende in der Haltung und in dem, was man wirklich tut“

Wir gehen nun weiter und nehmen uns des Allerwichtigsten an, was die Menschheit bewegt: der „Liebe“!

Liebe, Sympathie, Bewunderung seien es, die man auf jeden Fall und ohne Bedenken gestehen sollte, wie es im Lied I May Be Wrong der Fall ist: ‚I may be wrong but I think you’re wonderful …‘, swingt es in meinem Kopf. Und schon sind wir wieder an der unbeschwerten Seite des Lebens – und des Interviews: „Hinter dem I may be wrong steckt etwas Verlegenheit, und die ist immer etwas positiv Besetztes. Ich bin ein großer Fan davon, Menschen, die man gut findet, das wissen zu lassen. Und zwar selbst, wenn sie vielleicht unerreichbar scheinen. Ich hab es immer bereut, das jemandem nicht gesagt zu haben, wenn ich es wollte.

DAS geht allerdings auch ohne Worte, weiß der Musiker. Der Beweis dafür ist der Titel For All We Know, in meiner Interpretation – eine zart-überzeugende Liebeserklärung ohne Worte! „Ist es eigentlich nicht die schönste Liebeserklärung, die ohne Worte?“, wirft Herr Brönner die aus meiner Sicht rhetorische Frage auf. „Es zu sagen, ist nicht allen gegeben, deshalb ist es wichtiger, was du so an Taten vollbringst. Und Liebe in blumigen Worten ist schön und gut, aber sie zeigt sich dann am Ende in der Haltung und in dem, was man wirklich tut.

Wie wahr, Herr Brönner, da widerspreche ich Ihnen nicht: Um das Spüren geht es oft in der Liebe, nicht nur um das Sagen. Denn spüren Zwei das Gleiche, kommt es vielleicht zu einer Liebe, die bleibt, worüber Sie in Love Is Here To Stay, mit einer Stimme voller Zuversicht, singen … Da schwebt plötzlich Melancholie in der Luft: „Ähm … Ist sie nicht eine Illusion, eigentlich?“, „begräbt“ er die Hauptaussage des Titels. Und nach einer kurzen Schweigeminute: „Es ist ein Spiel mit dem Ideal… Es ist ein sehr kostbarer Zustand, eine sehr gewichtige Aussage. Our love is here to stay – es ist fast schon vermessen. Aber wenn beide das spüren, dann ist es das Schönste, was man sagen kann.“ Oder eben singen statt sagen, in der melancholischen Sprache der Trompete einzig und allein, wie Sie es so schön können, Herr Brönner!  

„Liebe bleibt mysteriös. Sie ist unwägbar“

Till Brönner im Interview:
© Ulla Lommen


„Apropos Ideal: Was ist Ihre Lieblingsart der Liebe, Herr Brönner?“, reißt sich unaufhaltsam die Frage von meinen Lippen los. Er lässt sich von der kritisch-„privaten“ Frage nicht verwirren: „Wollen Sie eine korrekte Antwort?“, lächelt er mir etwas verlegen entgegen – aber Verlegenheit ist ja etwas positiv Besetztes, wie wir es gelernt haben, sie macht den Star-Musiker nur noch „menschlicher“. „Die korrekte könnte lauten, dass es eine bedingungslose Liebe ist. Sie ist kein Deal. Der Deal steht in der Luft, aber es ist keine Abmachung, gegen die man klagen kann. Deal kann man anwaltlich einklagen, Liebe halt nicht – Liebe bleibt mysteriös. Sie ist unwägbar.“  

„Ist es nun die korrekte Antwort?“, bohre ich nach. „Das weiß ich nicht … Ich hoffte, Sie hätten das irgendwie schon abgehackt – aber Sie bleiben dran – das finde ich gut“, lachen wir amüsiert zusammen. „Ja, das ist die bedingungslose, auch zwischen den Menschen, die nicht verwandt sind. Doch sie lernen wir erst sehr spät kennen. Ebenso wie das Loslassen können.

„Melancholie ist mein Idealzustand“

Ich lasse das Thema „Liebe“ ebenso los, über deren mannigfaltigen Gesichter man, sorry – WIR, unendlich lang weiterreden könnten. Nur die Zeit lässt uns leider nicht los und eilt, und drängt … Und in meinem Kopf dreht sich nun alles um die Melancholie, die nun sowohl auf dem neuen Album, als auch hier im Raum von Zeit zu Zeit ihre sanfte Stimme übt. Ein Thema, wie ein Kapitel, ein scheinbar wichtiges …

Ich liege goldrichtig: Der Idealzustand sei für Till Brönner eigentlich das Melancholische – noch ein Zustand, der für ihn positiv besetzt sei, auch wenn es aus medizinischer Sicht etwas Depressionsartiges habe. „Für mich ist es aber gut, weil es ein Schwebezustand ist. Es ist so immer leicht enttäuscht sein, aber nicht vom Leben, sondern auf der Suche nach der Frage, warum es einem schmerzt.

„Kreativ ist Schmerz hoch interessant und deswegen liebe ich das“

Till Brönner im Interview:
© Getty Images


So kommen wir auf das Thema Schmerz zu sprechen. „Schmerz ist ein Weg, sich zu spüren. Bei Glück spürt man sich auch, aber man gewöhnt sich so schnell an Glück. Ich weiß nicht, ob man sich an Schmerz gewöhnen kann? Sicherlich so, dass man damit leben kann … Aber kreativ ist das hoch interessant und deswegen liebe ich das.

Der Schmerz gibt ebenso viel Stoff fürs Besingen, der Sinatras Song In The Wee Small Hours of the Morning ist ein viel zu deutliches Beispiel dafür. Auch in diesem Lied stecke genug Till Brönner, um es in das neue Album aufzunehmen. „Als Musiker und als Viel-Reisender kenne ich natürlich den Moment sehr gut. Es ist schon diese bestimmte Stunde zwischen 4-5 Uhr morgens, wenn die Sonne gerade Inbegriff ist aufzugehen, wo der Schmerz – der Wundschmerz, wenn man jemanden verlassen hat oder verlassen wurde – am größten ist. Es muss irgendeine körperliche, chemische Reaktion sein, in Zusammenhang mit Licht“, philosophiert der nun fröhlich-melancholisch eingestimmte Musiker.

„Man sagt, dass man den Schmerz verarbeiten und ihn nicht einfach „in die Ecke schieben“ muss … Erst dann geht man weiter“, merke ich zwischendurch an. „Ja, das finde ich sehr weise. Auch für Künstler bedeutet es, dass der Schmerz erst mal verarbeitet werden soll. Insofern freut sich der Künstler immer, über das zu sprechen oder das in der Musik zu verarbeiten, was nicht geklappt hat.

Und in der Liebe klappe eben unheimlich viel nicht. „Wir können uns der Liebe nicht sicher sein. Wir müssen an ihr arbeiten. Wir wollen an ihr arbeiten. Wir hoffen … “, mischt sich plötzlich wieder das Thema „Liebe“ in unser bereits fortgeschrittenes Gespräch ein. Vielleicht liegt es auch daran, dass Liebe, Schmerz, Eifersucht und Melancholie so dicht zusammenhängen? Ich lasse mich von der schwerelosen Schwermut dieser Thematik mitreißen und wünsche mir für alle, eines Tages der „Ideal-Liebe“ gegenüber zu stehen: der bedingungslosen Liebe, die hoffentlich auch bleibt!

Das Papier ist geduldig und das Leben von Till Brönner ist viel spannender, als er es vorzugeben versucht. Mich kann er damit nicht „täuschen“, denn ich kann gut zuhören und zwischen den Zeilen lesen. Und ich schreibe gern über ihn: Was würde er wohl über sich lesen wollen, was noch nicht Schwarz auf Weiß festgehalten wurde? Meine letzte Frage versetzt den Musiker ins Grübeln. Die Uhr tickt wie eine Zeitbombe in meinen Ohren. „Super Frage … Das fällt mir sehr schwer, das zu beantworten … Sprechen wir von dem Grabstein oder von dem Künstler? Dass er ein guter Musiker war, das reicht mir vollkommen aus, weil das ist allgemein genug und umfasst so viele Bereiche“, atmet er entspannt aus, sichtlich damit zufrieden, die „heikle Lage“ gemeistert zu haben. Und lächelt wieder strahlend. Bei diesem Lächeln muss ich plötzlich an einen Satz denken, den er zuvor zu dem Song Her Smyle sagte: „Menschen, die sich vielleicht keine zu verrückten Gedanken machen müssen, haben das schönste Lächeln.“ So ist es, Herr Brönner, Sie wissen, wovon Sie sprechen!

„The Good Life: Das ist diese Erkenntnis, dass ich nicht viel brauche, um glücklich zu sein“

Till Brönner im Interview:
Till Brönner und Olga Sattler
Interview in München


‚Und so ist das Leben doch wieder gut und in Ordnung!‘, freue ich mich über das angenehme und doch unerwartet emotionale Interview mit dem wohl geheimnisvollsten deutschen Jazz-Trompeter. Ach ja, das gute Leben! Wie konnte ich den Song vergessen, der seinen Namen dem mit Gefühlen prall gefüllten Album verliehen hat: The Good Life. Was will uns Till Brönner wohl damit mitteilen? „Das gute Leben ist ein Leben, in dem man Schmerz und Leid für möglich hält. Es sind wie immer, ohne dass es ansatzweise zu fromm klingen soll, Kleindinge im Leben. Aber man muss ein paar von den großen Dingen, deren Bedeutungslosigkeit und Vergänglichkeit mal erlebt haben, um festzustellen, dass es um die nicht geht … Das ist diese Erkenntnis, dass ich nicht viel brauche, um glücklich zu sein.“ 

Oh ja, das Glück ist ein Teil vom guten Leben, wenn auch … „Es gibt kein perfektes Glück – aber Zuversicht. Und die Zuversicht zu haben lohnt sich immer. Und es ist die Zuversicht, einen Menschen noch mal wieder zu sehen und man weiß eben noch nicht wo …

Diese Zuversicht spüre ich nun auch … I’ll Be Seeing You, vielleicht schon während Ihrer Live-Tour zu The Good Life:

  • 01.11. – Zürich, Kongresshaus
  • 06.11. – Dortmund, Konzerthaus
  • 08.11. – Darmstadt, Staatstheater
  • 11.11. – Erfurt, Alte Oper
  • 13.11. – Magdeburg, Oper
  • 14.11. – Hamburg, Laeiszhalle
  • 20.11. – Bielefeld, Stadthalle
  • 29.11. – Ravensburg, Konzerthaus
  • 30.11. – Köln, Philharmonie
  • 03.12. – Baden-Baden, Festspielhaus
  • 04.12. – Leipzig, Gewandhaus 

Vorm Abschied entschuldigt er sich für die Unterbrechung durch sein Telefonat, es habe zwar länger gedauert, dafür habe es aber Sinn gehabt. Ich schaue ihn verständnisvoll und doch neugierig an, schlucke aber die immer lauter werdende Frage herunter – er spricht ja nicht gerne über seinen 12-jährigen Sohn in der Öffentlichkeit! Diese Frage liest er wohl in meinen Augen und will mir darauf unbedingt antworten – so viel Zeit muss sein! Bei dem kurzen „Rendezvous in sein privates Reich“ beobachte ich gerührt, wie er zu strahlen beginnt, während er von seinem Sohn erzählt. Diese kurze, nette Geschichte behalte ich für mich und „küre“ sie heute zu unserem gemeinsamen Geheimnis: Ich habe mir ja letztendlich vorgenommen, den, in meiner Interpretation, guten Musiker Till Brönner seines Mysteriums nicht zu berauben.
Text: Olga Sattler

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