"Seite an Seite" mit Christina Stürmer Im Interview spricht die erfolgreichste österreichische Sängerin seit Falco über ihr neues Album und ihre Zukunft als Mutter.

Sie trägt ein helles Shirt, unter dem ihr Baby-Bauch (obwohl schon im fünften Monat) kaum zu sehen ist, dazu offene Haare und eine entspannte Haltung. Mein Blick bleibt an ihrer rechten Augenbraue haften. Dort kann man noch die Einstichlöcher eines Pircings erkennen. Sie blickt mich an und lächelt. Ihre braunen Augen sehen mich aufmerksam an. Sie wirkt neugierig, obwohl sie sicher schon unzählige Interviews im Laufe ihrer 13-jährigen Karriere gegeben hat. Gespannt sieht die 33-Jährige mir zu, wie ich an meinem Aufnahmegerät herumfummle. Ich entschuldige mich für die Verzögerung. „Ach, ist doch alles überhaupt kein Problem“, sagt sie lachend und fährt sich durch die Haare. Und das, obwohl ihre Abreise aus München kurz bevorsteht. Aber für Christina gibt es keinen Grund für Stress. Wir nehmen uns trotzdem die Zeit, die wir brauchen.

„Seite an Seite“ – Eine Hymne an die Menschlichkeit


Wie hast du die Tage hier in München verbracht? Ich hoffe, das verrückte April-Wetter hat dir nicht alles vermiest.

Nein, aber es war schon ein bisschen schade, dass ich dadurch München nicht ganz so genießen konnte, wie ich gehofft hatte. Ich hatte ja am Wochenende frei und dachte, ich kann mal in den Englischen Garten und so … Und dann war genau an diesem Wochenende das totale Schneechaos. Ich habe zwar versucht, die kurzen, sonnigen Momente zu genießen, aber es war trotzdem sehr kalt. Am Freitag sind wir noch bei schönem Wetter im Augustiner-Garten gesessen, zwar mit Jacke, aber es war trotzdem angenehm. Aber, als es dann am Samstag plötzlich angefangen hat zu schneien, dachte ich nur: Oh Gott, was ist jetzt los?

Am Montag war es ja besonders verrückt. Da hat das Wetter sich tatsächlich alle zwei Minuten geändert. Vom Schneesturm bis zum strahlendsten Sonnenschein war alles mit dabei.

Echt? Davon habe ich gar nichts mitbekommen. Wir haben am Montag noch ein Konzert in der Nähe vom Münchner Flughafen gespielt. Das war zum Glück drinnen. Da war ich schon sehr froh. Aber ich kann mir vorstellen, dass die Fans, die vorher draußen warten mussten, sehr gefroren haben. Teilweise reisen sie ja extra aus Österreich an, um mich noch einmal live zu sehen. Die wissen ja auch, dass dies die letzten Konzerte sind, die ich noch vor meiner Babypause gebe.

Stimmt, du stellst ja gerade dein neues Album vor, das am 22. April erschienen ist. Ich habe es mir angehört. Es sind vor allem zwischenmenschliche Themen, über die du da singst.

Vor allem „Seite an Seite“ lassen sich die – sagen wir mal – überraschenden ‚Stürme des Lebens‘ ja besser bewältigen als alleine. Hast du deswegen diesen Song-Titel auch für dein Album gewählt?

Der Song ist eine Hymne an die Menschlichkeit. Und das ist eigentlich auch das großes Überthema des Albums. Ich selbst bin dazu erzogen worden, einander zu helfen und sich gegenseitig beizustehen. Das hat sich dann auch in den ganzen Songs widergespiegelt. Die sind größtenteils sehr persönlich, was daran liegt, dass ich diesmal sehr viel mitgeschrieben habe.

Dann kann man also sagen, dass dieses Mal wirklich viel Christina Stürmer in den Songs enthalten ist?

Ja, es ist sehr viel von mir darin. Wir haben insgesamt zweieinhalb Jahre an den Songs geschrieben. Und ich bin viel dafür gereist. Für einen Song war ich zum Beispiel in München, für einen anderen in Berlin. Und ganz viel entstand auch in dem Weinviertel in Österreich, wo ich wohne. Wir haben uns wirklich Zeit gelassen. Dabei ist natürlich auch einiges wieder in die Tonne geklopft worden.

Wie das nun mal so ist bei kreativen Prozessen …

Ja genau! Da schreibt man etwas und findet es in diesem Moment total geil, aber ein Jahr später hört man sich alles nochmal an und muss überlegen, was man davon behalten will. Man hat das Studio und den Produzenten gebucht; alle sind bereit und es stellt sich die Frage: Was nehmen wir jetzt wirklich davon auf?

Und dann denkt man sich: Hm… Ich bin zwar stolz, dass ich da mitgeschrieben habe, aber das berührt mich irgendwie nicht mehr, und wenn es mich selbst nicht berührt, dann werden das auch meine Fans nicht abfeiern. Also, da muss man schon sehr stark selektieren.

Welcher Song berührt dich denn am meisten?

Das ist „Du fehlst hier.“ In diesem Song geht es um meine Oma, die vor 13 Jahren gestorben ist. Zumindest ist sie die Basis des Songs, auch wenn wir uns im Nachhinein dafür entschieden haben, ihn etwas allgemeiner zu halten. In der ersten Version ging es tatsächlich darum, wie meine Oma war. Also, wie ihr Haus ausgesehen hat, wie sie gerochen hat, was sie gekocht hat … Aber das war mir am Ende zu konkret. Ich wollte, dass alle sich mit diesem Song identifizieren können. In der jetzigen Version kann jeder sich die Person vorstellen, die ihm persönlich gerade fehlt.

Memento Mori – Erinnere dich daran, dass du sterblich bist


In diesem Song geht es ja um die Themen Tod und Abschied. Wie gehst du denn ganz persönlich mit diesen schweren Momenten im Leben um? Was gibt dir Kraft und neue Inspiration, wenn das Leben dich gerade umzuwerfen droht?

Na ja, meine Oma ist vor 13 Jahren gestorben. Das ist schon eine lange Zeit. Sie war ein sehr großer Fan von mir und hat mich immer unterstützt, auch als ich damals zum Casting von „Starmania“ ging. Leider hat sie dann nicht mehr mitbekommen, wie ich tatsächlich in die Sendung und sogar Woche für Woche weiter gekommen bin. Und sie kann jetzt nicht miterleben, dass ich nach 13 Jahren immer noch auf der Bühne stehen und Alben aufnehmen darf. Das ist natürlich sehr schade. Was mir geholfen hat, waren wohl meine Freunde – mit ihnen darüber zu reden und nicht alles totzuschweigen. Aber die erste Zeit ist natürlich immer hart.
 
Jetzt nach so vielen Jahren schaue ich natürlich ganz anders zurück. Auch den Song zu schreiben, war eigentlich total schön. Ich konnte endlich wieder über meine Oma reden. Man denkt dabei ja auch an die vielen schönen Momente, die man mit diesem Menschen erlebt hat und die Dinge, die ihn ausgemacht haben. Es ist einfach ein gutes Gefühl wenn man positiv daran zurück denken kann.

Klar, ist es tragisch und man wünscht sich, sie würde noch immer leben, aber man sollte sich eben auch damit auseinander setzen, dass das Leben nun mal nicht ewig ist. Und deswegen muss man seine Zeit nutzen. Das sollte man sich immer wieder ins Bewusstsein rufen. Deswege ist es auch die Botschaft meines Albums.

Ja, man sollte sich immer wieder mal daran erinnern, dass das Leben endlich ist.

Ja, man kommt eben immer erst darauf, dass man das Leben mehr genießen sollte, wenn etwas Tragisches passiert ist. Seltsam, aber der Mensch ist wohl so gestrickt. Da sind wir wohl alle gleich. (Lacht) Mich selbst schließe ich da gar nicht aus. Wie oft lasse ich mich von Sachen stressen, die eigentlich sowas von unwichtig sind. Obwohl ich mittlerweile schon wesentlich besser damit umgehen kann als früher. Gerade so eine Albumproduktion ist ja sehr aufwendig. Man muss an so vieles denken: Fotoshooting, Videodreh, und … klar, es geht immer alles besser! Aber vor ein paar Jahren hat mich das noch viel mehr gestresst als heute. Ich hab mich viel leichter durcheinander bringen lassen und zu zweifeln begonnen. Aber heute denke ich mir: Das Wichtigste im Leben sind doch meine Freunde und, dass wir alle gesund sind. Ob da jetzt die Bearbeitung eines Fotos nicht funktioniert, oder sonst irgendwas zu spät abgegeben wird, ist doch total unwichtig. Da habe ich mich definitiv weiterentwickelt.

Würdest du sage, dass auch die Schwangerschaft zu dieser Entwicklung beigetragen hat?

Ja, ich bin noch lockerer und entspannter geworden. Für mich ist gerade die Hauptsache, dass es mir gut geht. Wenn es mir gut geht, dann geht es auch dem Zwerg da drinnen gut. Vieles wird auf einmal nebensächlich und die Prioritäten verschieben sich. Zudem gibt die Schwangerschaft mir gerade irre viel Energie, was ich total super finde!

„Meinem Kind wird es an nichts fehlen! Wenn es nicht passt, wird alles umgeplant“


Das hört sich so an, als mache die Schwangerschaft dich rundherum glücklich. Wann wusstest du eigentlich, dass du soweit bist Mutter zu werden? Gab es einen besonderen Moment?

Also, für mich war immer schon klar, dass ich einmal Kinder haben möchte. Ich habe auch mit meinem Freund Oliver darüber geredet, dass wir irgendwann unsere eigene Familie haben wollen. Aber irgendwie war nie der richtige Zeitpunkt. Obwohl das Blödsinn ist, denn eigentlich gibt es für so etwas nicht den richtigen Zeitpunkt.

Wir haben uns jedenfalls beide eine Zeit lang nicht vorstellen können, dass da irgendwer „Mama“ oder „Papa“ zu uns sagt. Aber irgendwann hat es da auf einmal einen Schalter umgelegt. Wobei ich gar nicht sagen kann, wann das genau war … Vielleicht auch, weil die Freunde um einen herum Kinder bekommen und man plötzlich viel mehr mit dem Thema konfrontiert wird. Irgendwann hat sich das alles einfach nicht mehr so fremd angefühlt … Und da konnte ich es mir auf einmal vorstellen.

Was denkst du denn wie sich dein Leben mit Kind jetzt verändern wird, abgesehen von der Babypause ab Juni?

Das ist natürlich schwer im Vorhinein zu sagen. Man kann ja alles planen. Aber wie es tatsächlich wird, weiß man erst, wenn es soweit ist. Aber natürlich habe ich einen Plan A. Und der sieht so aus:

Die letzten Monate vor der Geburt soll einfach Ruhe sein. Das ist eh klar. Und auch danach muss sich erst einmal alles einspielen. Wir sind dann ja zu dritt und müssen zusehen, dass wir zu einem Team werden. Ich glaube aber, wenn das Kind dann so ein halbes Jahr alt ist, werde ich wieder so langsam in das Musikbusiness einsteigen.

Ich bin einfach nicht der Typ, der zu Hause sitzt. Ich kenne mich gut und weiß, dass mir dann die Decke auf den Kopf fallen würde. Ich habe auch viel mit meiner Mutter über das Thema geredet und sie gefragt, wie das damals bei ihr war. Sie hat gesagt: „Wenn du wieder arbeiten gehst, dann ist es nicht so, dass du dein Kind im Stich lässt. Vielmehr schöpfst du in der Arbeit Kraft und Energie für dein Kind und umgekehrt.“
 
Ich mag eben Abwechslung. Das ist auch jetzt, ohne Kind, schon so. Wenn es eintönig ist und ich viel zu Hause bin, nervt mich das unglaublich, aber auch wenn ich zu viel unterwegs bin. Dann freue ich mich wieder auf zu Hause. Genauso wird’s mit Kind sein. Wir haben schon die Tour-Termine für nächstes Jahr geplant. Als Musiker will man ja sein neues Album an den ‚Mann‘ bringen und live spielen. Das ist das, was mir schon immer am meisten Spaß gemacht hat. Klar muss dann eine Nanny mit, wenn wir unterwegs sind. Sonst können wir unsere Arbeit nicht in Ruhe machen. Aber natürlich steht bei mir ganz oben, dass es in erster Linie für das Kind passen muss. Falls es das nicht tut, müsste alles umgeplant werden. Zum Glück kann ich mir ja alles selbst einteilen.

Ausserdem sind alle in der Crew sehr kinderlieb. Darum wird es dem Kleinen mit Sicherheit an nichts fehlen. Ich kann mir sowieso nicht vorstellen, dass es da Probleme geben wird. Ich kenne das ja noch von meiner Kindheit. Wenn wir zum Camping fuhren, bin ich immer eingeschlafen sobald das Auto startete. Die Busfahrten werden dem Kind also mit Sicherheit schon mal nichts ausmachen … Wir sind alle gerne unterwegs und dieses Lebensgefühl werde ich auch an mein Kind weiter geben.

Wünscht du dir denn, dass dein Kind deine Liebe zur Musik teilt, vielleicht sogar einmal in deine Fußstapfen tritt?

Also, wenn es das will, stehe ich mit Sicherheit nicht im Weg. Klar wir mein Kind mit Musik aufwachsen. Wir haben ja ein Studio zu Hause und mein Freund ist Gitarrist in unserer Band. Aber ob es jemals ein Instrument lernt oder nicht, ist letztlich seine Entscheidung. Es wird bei allem unterstützt werden. Auch wenn es zum Beispiel Rechtsanwalt werden will.

Manchmal wollen Kinder ja genau das Gegenteil von den Eltern machen, um sich abzugrenzen.

In dem Fall wird es Buchhalter. (Lacht)

Du sagst immer „Es“ zu dem Kind. Hast du denn schon einen Namen in Aussicht?

Nein, gar nicht. Das ist ein Projekt, das wir uns für die Babypause aufgehoben haben. Wir haben uns ja auch noch nicht sagen lassen, was es wird. Da wollen wir uns überraschen lassen.
 
Aber ich kann jetzt schon sagen, dass es nichts Ausgefallenes wird. Es wird wohl ein normaler Standardname werden. Auf jeden Fall wird er deutsch sein, so dass er auch zum Nachnamen passt. Schließlich planen wir nicht, irgendwann einmal nach Amerika zu ziehen.

Was für Werte sind dir denn ganz wichtig, die du auch deinem Kind mitgeben möchtest?

Freunde, füreinander da zu sein, Toleranz, Respekt, eben den Umgang mit Menschen. Erklären, dass es verschiedene Kulturen gibt und, dass das alles O.K. ist. Ich denke, das ist das Wichtigste … Eben auch die Themen, die ich in meinem Album behandle.

Und damit schließt sich der Kreis. Vielen Dank, dass du Dir die Zeit genommen hast!

Viel Spaß beim Interview hatten Christina (l.) und Redakteurin Lydia (r.)

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