Von Löwenbändigern und Spiritualität Ein Interview mit Cornelius Baltus

Cornelius Baltus Interview König der Löwen
© Stage Entertainment


Er ist seit über zehn Jahren der Regisseur eines der erfolgreichsten Musicals (bisher schon 10 Millionen Besucher) überhaupt: „Disneys Der König der Löwen“. Trotz der vielen Jahre kennt der Holländer, der selbst Schauspieler und Tänzer ist, keine Langeweile, sonst „wäre ich längst weg gewesen. Ich habe nicht viele Shows in meinem Leben gemacht, aber die, die ich gemacht habe, die mache ich gerne, weil es konzeptionell ganz tolle Stücke sind. So werde ich eigentlich nie müde davon, mit den Leuten zu arbeiten.“

Träumt man da nachts von der Savanne, von Löwen oder doch eher vom ewigen Eis und Pinguinen? Bei Baltus scheint sich nach getaner Arbeit eher ein Schalter umzulegen. Er liege kaum mit einem Bein im Bett, schon schlafe er und könne sich dann bis morgens um halb zehn an nichts mehr erinnern: „Ich schlafe ruhig, gewaltig und herrlich und wache ohne Brüllen auf. Ich habe absolut keine Sorgen, denn ich hab’s seit zehn Jahren überlebt und überlebe es tagtäglich noch einmal. Ich habe keine Sorgen.“ Hakuna Matata!

Aber ohne Arbeit geht es nicht

Cornelius Baltus Interview König der Löwen
© Morris Mac Matzen für Stage Entertainment


Die Tage im Theater sind intensiv, schließlich soll das Stück täglich auf einem enormen Niveau präsentiert werden. Der Löwenbändiger selbst nennt es „eine industrielle Form von Theater“ und erklärt: „Man muss immer auf dem Rücken der Tiere sitzen, um sie zu motivieren, um das Stück so gewaltig wie möglich über die Bühne zu bringen.“ Ein ewiger Kreis, zumindest in den letzten zehn Jahren. Wenn es sein müsste, könnte Cornelius Baltus das natürlich auch selbst, so oft, wie er das Stück gesehen und durchlebt hat. Wenn mal Not am Mann wäre, würde Baltus Scar spielen, den missgünstigen Onkel von Simba, dem kleinen Königssohn: „Ich bin in einer leitenden Position, da ist man doch immer der Böse. Ich liebe Scar heiß und innig. Zynisch, sarkastisch, böse.“ Aber er muss auch Pumbaa, das Stachelschwein, sein: „Rund, gemütlich und fürsorglich, wie eine Mutter. Zuckerbrot und Peitsche,“ sagt er lächelnd.

Ein Stück Spiritualität

Cornelius Baltus Interview König der Löwen
© Stage Entertainment


Den Zauber, der der Geschichte von „Disneys Der König der Löwen“ innewohnt, verkörpert aber eine andere Figur in Vollendung. Rafiki, im berühmten Trickfilm ein männlicher Affe, im nicht minder erfolgreichen Musical eine stimmgewaltige Affendame, basiert auf afrikanischen Medizinfrauen und trägt eine starke Spiritualität in sich. Rafiki wird immer original afrikanisch besetzt und das hat einen guten Grund: „In dieser Figur vermischen sich Schauspiel und ein großes Stück Authentizität auf der Bühne. Für mich ist Rafiki die gewaltigste Hauptfigur.“ Kein Wunder, dass die Affendame auch in der Lieblingsszene von Cornelius Baltus eine wichtige Rolle spielt: „Im zweiten Akt, wenn Rafiki den Geist von Simbas Vater hervorruft und sein Vater zu ihm spricht – das ist eine sehr emotionale, bewegende Szene.“ Ob sein Vater-Sohn-Verhältnis auch von solchen großen Fußstapfen geprägt ist, wie es bei Mufasa und Simba der Fall ist? Darauf antwortet der Löwenbändiger stolz: „Nein, mein Vater hat große Fußstapfen hinterlassen, aber meine Fußstapfen sind größer als seine. Er ist immer auf meiner Schulter oder hinter mir.“

Diese besondere Art von Spiritualität hat er von den vielen Kulturen aufgesaugt, die bei der Arbeit am „Disneys Der König der Löwen“ zusammenkommen: „Spiritualität und Glaube werden sehr groß geschrieben in manchen Kulturen und das beeinflusst mich natürlich auch gewaltig. Obwohl ich ein normaler, bodenständiger Holländer bin, muss ich sagen, dass viele Sachen, die ich hier erleben durfte, meine Augen geöffnet haben. Das ist sehr besonders an diesem Projekt.“ Vielleicht ist es das, was die Leute spüren, wenn sie für einen Abend in eine unbekannte Welt getragen werden und die Geschichte des verlorenen Sohns, der wieder heimkehrt, erleben.

Einmal hin und wieder zurück

Cornelius Baltus Interview König der Löwen
© Stage Entertainment


Nicht verloren, aber ein Heimkehrer, das ist Cornelius Baltus auch. Er hat gerade wieder in Paris mit Roman Polanski an dem Musical „Tanz der Vampire“ gearbeitet. Ein Projekt, das ihn nun auch schon 14 Jahre begleitet. Und so ganz nebenbei durfte er auch noch eine eigene Inszenierung in Russland auf die Bühne bringen. Die Operette „Hollywood Diva“ hat ihn bereichert und das Gelernte kann er nun wieder im Theater an der Alster einbringen: „Das ist eine ganz andere Welt und Erfahrung. Aber dadurch schätzt man mehr, was man hat. Manchmal muss man diesen Mut im Leben haben und sagen ‚Ich geh jetzt mal‘, man muss den Mut haben, um abzuspringen. Dann kommt man zurück mit einem frischen Auge.“ Mit ein bisschen Abstand sieht Baltus Stärken und Schwächen und schätzt auch wieder, wenn etwas so geölt läuft, wie „Disneys Der König der Löwen“.

Ob er noch einmal zehn Jahre Löwen, Giraffen, Affen und Co. bändigt, will  Cornelius Baltus aber nicht prophezeien: „Wir in Holland sagen ‚In drei Wochen kannst du tot und begraben sein‘. Deshalb lebe ich im Jetzt, vielleicht noch im Morgen und in der nächsten Woche, aber weiter gucke ich eigentlich nicht.“ Morgen … Morgen geht das Licht im Saal wieder aus und eine exotische Welt voller Farbe, Gesang und Spiritualität steigt aus dem mystischen Halbdunkel auf …

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