Der höllenschwarze Cherokee Chief rollte bedrohlich heran wie ein Leichenwagen. Er war an den Felgen, den extra breiten Reifen und den Seitentüren mit jenen Schmutzspritzern bedeckt, die nahe legten, dass der Fahrer nebst Handy soeben zweifellos siegreich an der Rallye Paris - Dakar teilgenommen hatte. Der Jeep schien beinahe zu bersten, so laut wummerten die Boxen "I`m free" von "Oasis". Aha, alter Sack mit Nostalgie-CD, dachte ich sofort. Ich fragte mich, warum um alles in der Welt der blässliche Fahrer sein Handy immer noch unverzagt ans Ohr hielt. Er musste längst so taub sein wie Beethoven und das Telefon war aus Statusgründen sicher angewachsen.
Im wirklichen Leben handelte es sich bei dem beigefarbenen Dreck eher um die Überbleibsel einer matschige Zufahrt einer Neubau- Reihenhaus-Siedlung bei Oberpframmern, grinste ich mir eins. Ich war eben dabei, mich in mein weisses Fitness-Studio zu begeben, wo ich mich zweimal die Woche an modisch lila lackierten Trimm-Geräten erbittert dem Alter entgegenstemmte. Der blässliche Fahrer entstieg nun mit lässiger Gewandtheit, behängt mit einer lila-pink-türkis gemusterten Riesen-Sporttasche, seinem jäh verstummten Gefährt, das er unter diversen schwarz glänzenden Geländewagen, tiefer gelegten Golfs und seinesgleichen abgestellt hatte. Meine Rostlaube nahm sich in dieser Gesellschaft reichlich mickrig aus.
Der Typ trug Jeans, ein rot-schwarzes Holzfällerhemd, rote Turnschuhe und hatte zum Frühstück bestimmt ein Bircher Müsli mit Honig verzehrt. Sowie dazu in der "Süddeutschen" eine Reportage über ein gruppendynamisches Weekend in der Toskana mit Partnerschaftstraining und abschließendem Creativ-Batiken gelesen.
Außerdem schielte er andauernd zu mir herüber.
"Hallo", begrüßte mich Berti, der muskelbepackte Manager Ende 20 am Empfang so angesagt und positiv, wie man es von einem Diplom-Sportlehrer, der ein Fitness-Studio leitete, auch erwarten konnte. "Wie geht`s dir?" Die Begrüßung "Hi" behielt er Leuten unter Dreißig vor. Sein Kopf war kaum breiter als sein Hals. "Danke, ganz gut, viel Arbeit," sagte ich, wobei ich das Du vermied. Ich konnte mich noch immer nicht daran gewöhnen, dass man sich in Fitness-Kreisen sportiv duzte. Manchmal war ich - antik wie ich war - ganz froh, mich auf ein förmliches Sie zurückziehen zu können.
Ich kramte in meiner Tasche nach der Chip-Karte des Studios. Schneeweiß, mit schräger Schrift in Lila. Offenbar war Wolfi mit seinem Farbgeschmack auf der Höhe der Zeit. Dafür tauschte ich dann einen an einem lila Armband befestigten Spindschlüssel in der Damen-Umkleide ein, wo ich Autoschlüssel, Daunenjacke und die peinliche Brille deponierte. Neben mir schmierte sich eine kurzbeinige Nackte mit gelbem Haupt- und feldmausbraunem Schamhaar soeben, noch rot und dampfend von der Dusche, die Oberschenkel ein. "Höchstens fünfundzwanzig", schätzte ich und sagte heutig "Hallo". "Hallo", kam es muffig zurück. Ich ärgerte mich, dass ich nicht "Grüß Gott" gesagt hatte.
Mit Genugtuung bemerkte ich Cellulite-Beulen an den runden Schenkeln der Nackten." Die teure Creme kannst du dir schenken, Herzchen, " dachte ich boshaft, "da hilft nur abnehmen und trainieren, trainieren, trainieren." Ich schielte unauffällig zu dem Mädchen hin, das sich jetzt in einen weißen String-Tanga zwängte. Deren Brüste waren klein, tief angesetzt und spitz, dafür hatte sie große, braunrote Brustwarzen, die wie entzüdet aussahen. Was für ein Kerl sich wohl an denen zu schaffen machte? Der Gedanke regte mich irgendwie an. So weit ist es also schon gekommen mit dir, altes Mädchen, sagte ich mir. Du glotzt dir fette Mädels in der Umkleide an und denkst dabei an Sex mit Wolf. Notgeile Lustgreisin würde mich Mara, mein wandelndes Über-Ich, wohl mit Recht nennen.
Wolf hatte nach seiner Ehe so ziemlich alles mitgenommen, was sich ihm anbot. Ob er die hier wohl auch gepackt hätte?